Sensibelchen. Es gibt Leute, die feiern das. Viel fühlen ist schön. Banalität existiert kaum, weil alles etwas auslöst, alles ist wichtig. Alles. „Über was du nachdenkst.“ Ein kleines Problem, eine minimale Unstimmigkeit explodiert bis zur Endlosigkeit. Wieder hab ich das Gefühl mich zu beschweren. Sensibel zu sein bedeutet die Welt wichtig zu nehmen und sich gleichzeitig selbst SEHR wichtig zu nehmen. Ich will nicht so viel Platz einnehmen. Vielleicht im Mittelpunkt stehen, doch nur im schillernden Licht. Der Widerspruch poliert seine Diamanten. Ich, die predigt, dass jedes Problem seine Rechtfertigung hat, verurteilt sich nun selbst. In Zeiten der Depression hat das ganze Sinn ergeben. Ich konnte es vor mir selbst rechtfertigen. Das ist eine Krankheit. Die Melodramatik, das Übertreiben gehört nun mal dazu. Jetzt ist die Psyche theoretisch gesund. Ja – Borderline Tendenzen sind in meine Persönlichkeit geschliffen. Das Leben im Extrem in den Strängen meiner DNA verankert. Das Glück strahlt und schimmert. Funkelnde Extravaganz. Das Grau begräbt mich. Ausgraben, schweben, verschütt gehen, auflösen, auferstehen. Tausend Erkenntnisse und nie ankommen. Und wieder möchte ich mich selbst verurteilen. Denn in diesem Text nehm ich mich aufs Neue zu wichtig. „Du bist NICHT das Gefühl.“ Das Gefühl muss trotzdem verarbeitet werden. Die Wellen schwächen den Körper, bis ich wieder voller Energie erwache und mich jedes Detail mit Staunen erfüllt. Ausnahmsweise endet der Text ohne Erkenntnis. Die maximale Antwort ist, dass es keine gibt. Seufzen. Meine Umgebung flüstert: „es ist alles nicht so schwer“. Ein Haken holt mich aus der Tiefsee.
depression
da wo mein gedächtnis ans vermächtnis grenzt
Anna sagt, dass für die meisten Berliner kein Glück ohne melancholischen Unterton existiert. Das Blau schneidet sich am Plattenbau. Manchmal erglühen die großen Fenster in den obersten Stockwerken. Goldene Reflektionen der statisch, wuchtigen Prismen. Im Winde steht kurz alles still. Der Feinstaub kriecht in meine Bronchien. Etwas kribbelt. Auf die Geräusche legt sich eine Decke, während ich nicht entscheiden kann, nicht entscheiden will, ob sich die Größe Vollkommen oder einsam anfühlt. Die Vibration, die Schnelligkeit – ein graues Gefühl von Zuhause, welches wir mit Lichterketten verzieren und uns verlieren. Bei vollem Bewusstsein. Im Wahnsinn. So sehr daran gewöhnt, dass die Präsenz des Elends eine Präsenz von Schönheit nicht ausschließt. Es ist selbstverständlich. Alltag. Unsere Leben kommen nicht ohne Dramen aus. Sie schreien „Berlin du lässt mich nicht los“ und ich denke daran, wie oft ich aus diesem Wahnsinn flüchtete und doch immer wieder zurückkehrte. Der graue, mit Kaugummi und Glitzer gesäumte Boden ebnet meine Wege und saugt die Erinnerungen übermüdeter Gliedmaßen in sich auf. Die Sonne spiegelt sich golden. Ein schwerwiegender, tröstender Puls. Egal wie oft ich es trenne, eine andere Geborgenheit anteste. Die Rückkehr liegt immerwährend auf der Hand. Berlin. Du vereinst Hass und Liebe. Ich adaptiere es in mein Wesen und bin darüber nicht allzu verwundert. Zuhause ist bisweilen nur das, was man am besten kennt.
Scheiße. Anna hat Recht.
TROTZDEM
Alte Muster.
Wie sehr ich es liebe in euch zurückzufallen. Manchmal habe ich das Gefühl, immer wieder neu anfangen zu müssen. Das stimmt natürlich nicht. Rückblickend gehe ich nun viel gesünder mit destruktiven Gedanken oder Verhaltensweisen um. Trotzdem lösen erneut aufkeimende Selbstzweifel oder Angstzustände eine Hilflosigkeit aus, der ich zunächst nur mit Hilflosigkeit begegnen kann. Aus Hilflosigkeit wird Leere, aus Leere Taubheit und das alles könnte sich in einen weiteren Teufelkreis hineinsteigern. Ja – könnte. Darin liegt die Essenz des Wendepunkts. Anscheinend ist das einzige Mittel gegen jene Hilflosigleit sie immer wieder zu durchbrechen. Immer wieder einen Realitätsabgleich durchzuführen, wenn die Angst vor was auch immer zurückkommt. Immer wieder tief durchatmen. Immer wieder aufstehen, wenn Leere und der Glaube an die Sinnlosigkeit sich wieder in meine Adern frisst und sich mit meiner lebensbejahenden Existenz streiten will. Vielleicht hab ich genau das gelernt. Aufstehen, akzeptieren und weiter machen. Bis ich die neue Welle des puren Glücks wieder mitnehmen kann. Ich entscheide mich immer wieder aufs Neue für mein Leben. Ein Beispiel um dies zu verdeutlichen: ich habe Epilepsie und könnte deshalb Angst vor vielen Dingen haben. Schwimmen zum Beispiel. Doch selbst wenn ein Unfall passieren sollte – ganz ehrlich, ich habe lieber ein kurzes Leben in welchem ich so oft wie nur möglich den Sprung ins wundervolle Meer wagte, als ein langes dass ich vor lauter Angst nie in all seiner Vollkommenheit führen würde. So sehe ich das und diese Einstellung versuche ich auf alles anzuwenden und meistens gelingt das mittlerweile auch. Bei manchen Dingen ist es weiterhin ein Prozess. Das zu akzeptieren ist schwer. Vor allem weil ein Prozess selten linear verläuft. Vor allem, wenn ich das Gefühl hatte, etwas hinter mir gelassen zu haben und es mich plötzlich wieder einholt. Wahrscheinlich ist einholen die falsche Wortwahl, denn es impliziert ein vorheriges weglaufen. Ich will vor nichts, dass aus mir entspringt weglaufen. Ich will im Urschleim ansetzen und es an die Hand nehmen.
Eins weiß ich – ich werde mich immer wieder für die selbsterwählte Form meines Lebens entscheiden. Vielleicht macht genau das meinen Weg aus und vielleicht ist dieser Weg mein immer währendes Ziel. Wie immer – ein rotziges TROTZDEM und nicht deswegen. Basta.