sensibel

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Sensibelchen. Es gibt Leute, die feiern das. Viel fühlen ist schön. Banalität existiert kaum, weil alles etwas auslöst, alles ist wichtig. Alles. „Über was du nachdenkst.“ Ein kleines Problem, eine minimale Unstimmigkeit explodiert bis zur Endlosigkeit. Wieder hab ich das Gefühl mich zu beschweren. Sensibel zu sein bedeutet die Welt wichtig zu nehmen und sich gleichzeitig selbst SEHR wichtig zu nehmen. Ich will nicht so viel Platz einnehmen. Vielleicht im Mittelpunkt stehen, doch nur im schillernden Licht. Der Widerspruch poliert seine Diamanten. Ich, die predigt, dass jedes Problem seine Rechtfertigung hat, verurteilt sich nun selbst. In Zeiten der Depression hat das ganze Sinn ergeben. Ich konnte es vor mir selbst rechtfertigen. Das ist eine Krankheit. Die Melodramatik, das Übertreiben gehört nun mal dazu. Jetzt ist die Psyche theoretisch gesund. Ja – Borderline Tendenzen sind in meine Persönlichkeit geschliffen. Das Leben im Extrem in den Strängen meiner DNA verankert. Das Glück strahlt und schimmert. Funkelnde Extravaganz. Das Grau begräbt mich. Ausgraben, schweben, verschütt gehen, auflösen, auferstehen. Tausend Erkenntnisse und nie ankommen. Und wieder möchte ich mich selbst verurteilen. Denn in diesem Text nehm ich mich aufs Neue zu wichtig. „Du bist NICHT das Gefühl.“ Das Gefühl muss trotzdem verarbeitet werden. Die Wellen schwächen den Körper, bis ich wieder voller Energie erwache und mich jedes Detail mit Staunen erfüllt. Ausnahmsweise endet der Text ohne Erkenntnis. Die maximale Antwort ist, dass es keine gibt. Seufzen. Meine Umgebung flüstert: „es ist alles nicht so schwer“. Ein Haken holt mich aus der Tiefsee.

sensibel

magenta

Fluchend kramte ich in meinen Manteltaschen. Wenigstens war es kalt genug. Russenpeitsche vom feinsten. Wenn die Luft so eisig ist, dass sich jeder Atemzug wie ein sauberer Schnitt durch die Luftröhre zum Zwerchfell anfühlt. Ich habe dass Gefühl dann besser danken zu können. Nur meine Hände wehrten sich, schwollen an, wurden trocken und rissig und färbten sich Magenta. Magenta. Meine tauben Finger fanden etwas in der hinterletzten Ecke meiner linken Manteltasche. Lange vergessen, vielleicht auch verdrängt, lag dort der Beweis einer vergangenen Koexistenz auf meiner Hand. Ich erinnerte mich an die schönsten Hände, die ich bis dato gesehen hatte, dass sie meine griffen, dass wir im Sonnenlicht tanzten. Ich erinnerte mich an einen knallbunten Kaugummiautomaten, der mit seinen quietschenden Farben unser übertriebenes Gefühlskonfetti unterstrich. Die schönen Hände drehten am Knauf und schenkten mir einen Ring mit magenta Plastikherzen. Magenta – mein Fixpunkt änderte sich. Von meiner Hand schaute ich zu dem Geländer an dem wenige Fahrräder angeschlossen waren. Darunter ein altes, magentafarbenes Damenrad. Die Farbe blätterte etwas ab, wie auf den Herzen meines Rings. Ich seufzte und legte den Plastikring auf den Sattel. Dieser Gegenstand mochte für mich nur eine vergorene Erinnerung an die Endlichkeit sein. Doch in Zeiten des Graus schien es mir passend knallige, magentafarbene Plastikherzen einzugliedern. Ein Fremder. Ein magentafarbenes Fahrrad und die eisig, graue Mattscheibe. Wir treffen uns in der Mitte meiner Lemniskate um einen Schatz zu bergen. Ich zeichne sie in den Schnee.

Am nächsten Tag steht das Fahrrad nicht mehr an der Station und ich trage die Gewissheit in mir, dass die kleinen Plastikherzen jemandem das eisige Herz erwärmten.

magenta

Bruchstücke der schönen Tage

Ein Spaziergang durch den Schnee. Wir laufen ineinander verhakt. Eine Geborgenheit, die nur uns gehört. Mittig liegend in der von uns gebildeten Lemniskate. Treten auf Glitzern, Knirschen, Weiß. Eisig. So eisig, dass meine Zehen taub sind – ich das Gefühl habe, die Poren meiner Nase sind erfroren. Gefroren. Aufgetaut. Neugeboren.

Mein Blick ist aufmerksam geworden. Für die kleinen Dinge. Jene, die sich so offensichtlich in unserer Sicht präsentieren und doch so oft verschleiert blieben. Mein müder Kopf legt sich nieder. In ihre Schatten und in ihren Schimmer. Meine Hände versuchen es zu greifen. In die Wärme, die Farben, den Staub in der Schwebe.

Dein Körper. Ins Sonnenlicht getaucht. In den Laken schmiegt sich alles aneinander. Es ist ein Fluss. So geschmeidig, wie das Wort. Ich möchte diesen Moment in meinen Synapsen konservieren. Diese reine Schönheit des Selbstverständnis in meine Denkmuster integrieren. Das Dunkle mit noch mehr Beweisen, widerlegen.

Auch wenn sich das Eis durch alle Schichten beißt, meine ich mit jedem Tag mehr und mehr die Tage des Frühlings zu erahnen. Vielleicht ist es auch mein inneres, kindliches Strahlen. Ehrlich. Ich bin ganz aufgeregt und kann das Kommende kaum erwarten. Geht das – Leichtsinn und ausgeglichene Ruhe in einem?
Vielleicht. Anscheinend.

Bruchstücke der schönen Tage

die Zeitkapsel im Paradies

Mein Dasein, mein Kosmos, meine Blase.

All das gewinnt und verliert an diesem Ort zu viel Bedeutung
– gleichzeitig.

Hier ist alles und nichts.

Ich tanze durch den Sand in Lemniskaten und lasse mich von den Wellen an Land spülen, wie ein kleines Kind. Über mir kommt ein Stern nach dem anderen zum Vorschein. Ich fühle mich so vollkommen, wie unsicher. Dieser Ort ist Gegensatz. In Schönheit und Abgeschiedenheit liegt viel zu viel Raum für das eigene Dasein. Das Meer ist schonungslos und rührt am Unterbewusstsein. Selten benutzte Saiten deren Schall viel zu viel Staub aufwirbelt. Die sengende Sonne brennt jegliche Gedanken aus und gleichzeitig ergötzt sie sich an meiner qualvollen Gehirnschmelze. Doch es ist wie Glas. Man kann jegliches schmelzen in Vollkommenheit verwandeln.

Mit Grund und Boden und einem Sinn und Verstand.

die Zeitkapsel im Paradies

Espalk

Ich laufe die Wege von damals. All jene die ich damals in unendlichen Runden lief. Die ich lief, um das immer währende Summen meines Gehirns aushalten zu können, um die stetige Unruhe meines Daseins ohne Boden irgendwie kanalisieren zu können. Damals. Rann mir der Schweiß über die Haut und die Schwere der ersten Sommernächte ließ mich nicht schlafen. Heute ist der See vereist. Meine Wangen gerötet. Meine Hände taub und geschwollen. Ich laufe den ganzen Weg und es fühlt sich ewig an. Ein schwerer Blumenstrauß in meinen Armen. Doch es ist wichtig, richtig und nötig. Dies ist die Beendigung einer Runde, die ich vor neun Monaten begann. Ein Abschließen welches sich vor dem Backsteingebäude mit der schönen Parkanlage auftut. Ich laufe genau so zielorientiert wie damals. Die kahlen Bäume, welche damals vom Flieder bedeckt waren. Die Raucherecke in der man seinen Schmerz kurzweilig zuteeren konnte und schließlich, als ich eintrete, der klinische Geruch. Laufe. Die Treppen, die ich damals in überkurzen Hosen heruntergesprungen bin. Ich erinnere mich an mein Fühlen damals. Die raue See in der ich überleben wollte, musste. Und jetzt? Die See ist ruhig. Hin und wieder eine Welle. Doch der Schmerz ist verschwunden irgendwo hat er sich nach der Heilung in meiner Tiefsee niedergelegt. Die Menschen sagen mir, dass ich so gesättig wirke. In mir ruhend. Der Wellengang fand eine Basis. Die Basis in mir selbst, die mich so verlässlich auffangen kann. Ein Rhytmus. Damals. Wie ich mit zitternden Beinen in die Notaufnahme schritt. Nur ein Wunsch, endlich wieder Kraft zu haben. Daran denkend würde ich dieses angsterfüllte Mädchen gern umarmen. Diese sehnende Sucht, die ich in mir trug. Nach etwas Starkem. Nach jemandem, der für mich stark war. Doch ich fand die Stärke und zwar in mir selbst.
Ich gebe die Blumen der Schwester. Sie erkennt mich. Danke. Die Runde ist beendet, doch ich werde sie immer in mir tragen. Der Beweis, den ich damals gern gehabt hätte. Ein Beweis, dass sich jeder Kampf lohnt. Jede einzelne Runde.
Ich hab nur das eine Leben. Ein Leben welches ich wählte weiterzuführen. Das ich ohne Angst führen möchte. Das etwas bedeuten soll. Für das ich dankbar bin. Meins.

Espalk