Bruchstücke der schönen Tage

Ein Spaziergang durch den Schnee. Wir laufen ineinander verhakt. Eine Geborgenheit, die nur uns gehört. Mittig liegend in der von uns gebildeten Lemniskate. Treten auf Glitzern, Knirschen, Weiß. Eisig. So eisig, dass meine Zehen taub sind – ich das Gefühl habe, die Poren meiner Nase sind erfroren. Gefroren. Aufgetaut. Neugeboren.

Mein Blick ist aufmerksam geworden. Für die kleinen Dinge. Jene, die sich so offensichtlich in unserer Sicht präsentieren und doch so oft verschleiert blieben. Mein müder Kopf legt sich nieder. In ihre Schatten und in ihren Schimmer. Meine Hände versuchen es zu greifen. In die Wärme, die Farben, den Staub in der Schwebe.

Dein Körper. Ins Sonnenlicht getaucht. In den Laken schmiegt sich alles aneinander. Es ist ein Fluss. So geschmeidig, wie das Wort. Ich möchte diesen Moment in meinen Synapsen konservieren. Diese reine Schönheit des Selbstverständnis in meine Denkmuster integrieren. Das Dunkle mit noch mehr Beweisen, widerlegen.

Auch wenn sich das Eis durch alle Schichten beißt, meine ich mit jedem Tag mehr und mehr die Tage des Frühlings zu erahnen. Vielleicht ist es auch mein inneres, kindliches Strahlen. Ehrlich. Ich bin ganz aufgeregt und kann das Kommende kaum erwarten. Geht das – Leichtsinn und ausgeglichene Ruhe in einem?
Vielleicht. Anscheinend.

Bruchstücke der schönen Tage

Sternegucker

Fernab von der Menge treiben wir durch die Stadt. Es ist Nacht und die Straßen sind leer. Jemand berührt mich am Arm und erzählt mir von neuen Orten in einer anderen Sprache. Ich übernehme liegend das Kommando und führe unsere Fingerspitzen in den Himmel. Wir richten den Blick nach oben, in diesen unbegreiflichen Raum welcher uns tagtäglich umgibt. Verwirrte, junge Seelen – auf der Suche nach Bildern in der Dunklen Nacht. Ich verbinde Stern um Stern und bin ganz verloren an einem Ort, an dem ich eigentlich nicht mehr sein sollte. Dort treiben wir gemeinsam fort von unserer gemeinsamen Realität und finden uns am Rande des Meeres wieder. 

Sternegucker

die erste Farm im Nirgendwo

Ich muss gestehen, dass ich mir ein bisschen Sorgen gemacht habe, ob das mit dem Wwoofing eine gute Idee ist. Bisher habe ich mich nicht unbedingt ums Gärtnern gerissen. Da ich nicht gerade für meinen grünen Daumen bekannt bin, hab ich einige Balkonpflanzen meiner Mitbewohner auf dem gewissen (ja Anne – ich schulde dir immer noch einen Topf Thaibasilikum) und wenn ich Pflanzen kaufte, dann grundsätzlich nur Kakteen denen es am besten ging, wenn man sich nicht um sie kümmerte.

Also traut sich ein typisches Stadtkind aufs Land. Die Farm von Luzia und Borut liegt irgendwo im Nirgendwo Sloweniens. Borut holte mich vom Bahnhof in Sevnica ab. Diese Stadt ist als Melania Trumps Geburtsort bekannt, weshalb sie dort auch „Melaniacake“ mit einer amerikanischen Flagge drin verkaufen. Das wars auch schon. Im Auto ist das Radio laut gestellt, die Fenster sind geöffnet. Borut tritt aufs Gas, während wir immer höher die Berge hinaufjagen. Irgendwann lassen wir jegliche Dörfer hinter uns. Alle 800 Meter führt eine Landstraße zur nächsten Farm. Borut nimmt die engen, ansteigenden Kurven so scharf, dass ich immer wieder innerlich zusammenzucke. Rechts und links von der sandigen Straße geht es bergab. Die Berglandschaft ist allerdings wunderschön. Borut zeigt auf einen Punkt in der Ferne und erzählt, dass man von dort aus bei guter Sicht bis nach Kroatien sehen kann.

Auf der Farm gibt es mehrere Hühner, zwei Schweine, eine Schafherde und einen Hündin. Sie heißt Odi und ich schließe sie von Anfang an in mein Herz. Das weibliche Schwein bekommt in den nächsten Tagen ein paar kleine Ferkel, für diese wurde extra vor kurzer Zeit ein niedliches Holzhaus errichtet.

Auf dem großen Grundstück wird unendlich viel Gemüse angebaut. Unter anderem Kartoffeln, Rote Beete, Rosenkohl, Kohlrabi, Tomaten, Paprika – dazwischen Ringelblumen, Kamille und Salbei. Überall duftet es nach Kräutern. Die Himbeerbüsche und Aprikosenbäume quellen über. Ein kleines Paradies.

Ich bin nicht die einzige Wwoferin. Momentan sind wir zu fünft. Die anderen sind aus Tschechien, Finnland und Neuseeland. Abends sitzen wir oft noch zusammen und bewundern bei einem Glas Wein den klaren Sternenhimmel.

Ich muss ehrlich sagen, dass mir die Arbeit unendlich viel Spaß macht. Seit einer Woche bin ich hier und mittlerweile freue ich mich schon morgens darauf Unkraut zu zupfen, Kartoffelfelder umzugraben, die Tiere zu füttern oder den Wein zu stutzen. Feldarbeit hat schon etwas sehr meditatives und ich komme hier richtig bei mir an. Wenn man fertig ist, sieht man wie viel man in den wenigen Stunden geschafft hat und das bei einer grandiosen Aussicht.

Mittags setze ich mich oft mit meiner Ukulele in eines der Felder oder in das Baumhaus. Mein Blick schweift über das satte Grün der Berge, die kleinen Häuschen in der Ferne. Über mir die Wolken, die so nah erscheinen, dass ich fast das Gefühl habe nach ihnen greifen zu können. Ein Ort der Ruhe. Innen wie außen.

 

die erste Farm im Nirgendwo