In der Nasenspitze

Die Diskrepanzen der Omnipräsenz. Ein wackeliges Gestell. Gedankenstränge, Synapsen heizen sich an der Hinterfrage auf. Meine Nasenspitze reckt sich zum Himmel und legt das immer währende Zerteilen der Atome lahm. Zu oft fokussiert auf meine Ebene. Jedes Mal überrascht von der Existenz des Ganzen. Jenes kupplige, unendlich weite, verschiedenfarbige Etwas über unseren Köpfen, legt mir jede Antwort auf die Hand. Lockert die Maschen, ohne groß zu argumentieren. So klar wie das Blau über uns, so beständig, wie die Sternkonstellationen, sind die meisten Lösungen. Wann hat verkrampftes Denken, ein zermatertes Gehirn je zum Ziel geführt. Lass verdammt nochmal los. Gedankenverloren schreibt ein Freund mit dem Kugelschreiber auf seine Haut. „Platz ist nicht unendlich.“

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In der Nasenspitze

checkmate

Injustice
Everywhere.
Every. Where – did it start?
Insomnia is kicking through all the worries.
I am constantly thinking about my friends in the struggling country’s. Because someone is playing a game. Because someone created a team of civilians, people who never wanted to volunteer but became part of it overnight. When one action lead to another. One action lead to another beating of an innocent human being. It’s a battlefield. I followed the games through the news. Games of hunger. Games of weapons, blood, killing. I watched all the pain popping up on my screen. One after another. Action after action. Until I suddenly ended up removing the screen. Just by actually visiting a place where the struggle never ended. I made friends. Some of them became family. Brothers, sisters. Hospitality and kindness on a level I didn’t experience before. It continues in front of my eyes. Action after action until another innocent nature got executed. Bang – checkmate! Not a stranger on the screen anymore. I am back home watching the happenings. Back home in safety. So many privileges – some got so used to them, they are not even able to appreciate it anymore. Real empathy evolved. Action after action. I. AM. SCARED. Got even more sensitive for all the happenings of injustice and I feel helpless. Because I see all the resistance but in the end it’s still the game and I scream for Palestine, Gaza, Syria, Yemen and all the other places full of beautiful kind human beings. Families, children, sisters, brothers. Action after action my screams end up against a wall and the only thing that’s left are my words. Words of hope. Words of resistance. I am so angry. They say it’s a bad thing but I believe if there is oppression, injustice, hunger, occupation, blood, guns – anger can be used as a source of power. Such as love and I am angry for the people I love so much. Action after action. I scratch up all my love, empathy and tears. I carry the stories in my heart and continue to scream. Because in the end it’s all l can do. It’s all I have. Action after action. My words. Words of anger, words of love. They are going to resist to exist until the very end of the game. One day. Checkmate!

checkmate

magenta

Fluchend kramte ich in meinen Manteltaschen. Wenigstens war es kalt genug. Russenpeitsche vom feinsten. Wenn die Luft so eisig ist, dass sich jeder Atemzug wie ein sauberer Schnitt durch die Luftröhre zum Zwerchfell anfühlt. Ich habe dass Gefühl dann besser danken zu können. Nur meine Hände wehrten sich, schwollen an, wurden trocken und rissig und färbten sich Magenta. Magenta. Meine tauben Finger fanden etwas in der hinterletzten Ecke meiner linken Manteltasche. Lange vergessen, vielleicht auch verdrängt, lag dort der Beweis einer vergangenen Koexistenz auf meiner Hand. Ich erinnerte mich an die schönsten Hände, die ich bis dato gesehen hatte, dass sie meine griffen, dass wir im Sonnenlicht tanzten. Ich erinnerte mich an einen knallbunten Kaugummiautomaten, der mit seinen quietschenden Farben unser übertriebenes Gefühlskonfetti unterstrich. Die schönen Hände drehten am Knauf und schenkten mir einen Ring mit magenta Plastikherzen. Magenta – mein Fixpunkt änderte sich. Von meiner Hand schaute ich zu dem Geländer an dem wenige Fahrräder angeschlossen waren. Darunter ein altes, magentafarbenes Damenrad. Die Farbe blätterte etwas ab, wie auf den Herzen meines Rings. Ich seufzte und legte den Plastikring auf den Sattel. Dieser Gegenstand mochte für mich nur eine vergorene Erinnerung an die Endlichkeit sein. Doch in Zeiten des Graus schien es mir passend knallige, magentafarbene Plastikherzen einzugliedern. Ein Fremder. Ein magentafarbenes Fahrrad und die eisig, graue Mattscheibe. Wir treffen uns in der Mitte meiner Lemniskate um einen Schatz zu bergen. Ich zeichne sie in den Schnee.

Am nächsten Tag steht das Fahrrad nicht mehr an der Station und ich trage die Gewissheit in mir, dass die kleinen Plastikherzen jemandem das eisige Herz erwärmten.

magenta

Bruchstücke der schönen Tage

Ein Spaziergang durch den Schnee. Wir laufen ineinander verhakt. Eine Geborgenheit, die nur uns gehört. Mittig liegend in der von uns gebildeten Lemniskate. Treten auf Glitzern, Knirschen, Weiß. Eisig. So eisig, dass meine Zehen taub sind – ich das Gefühl habe, die Poren meiner Nase sind erfroren. Gefroren. Aufgetaut. Neugeboren.

Mein Blick ist aufmerksam geworden. Für die kleinen Dinge. Jene, die sich so offensichtlich in unserer Sicht präsentieren und doch so oft verschleiert blieben. Mein müder Kopf legt sich nieder. In ihre Schatten und in ihren Schimmer. Meine Hände versuchen es zu greifen. In die Wärme, die Farben, den Staub in der Schwebe.

Dein Körper. Ins Sonnenlicht getaucht. In den Laken schmiegt sich alles aneinander. Es ist ein Fluss. So geschmeidig, wie das Wort. Ich möchte diesen Moment in meinen Synapsen konservieren. Diese reine Schönheit des Selbstverständnis in meine Denkmuster integrieren. Das Dunkle mit noch mehr Beweisen, widerlegen.

Auch wenn sich das Eis durch alle Schichten beißt, meine ich mit jedem Tag mehr und mehr die Tage des Frühlings zu erahnen. Vielleicht ist es auch mein inneres, kindliches Strahlen. Ehrlich. Ich bin ganz aufgeregt und kann das Kommende kaum erwarten. Geht das – Leichtsinn und ausgeglichene Ruhe in einem?
Vielleicht. Anscheinend.

Bruchstücke der schönen Tage

Blaue Flecken

Ich zeichne mit der Klinge
Kreuz um Kreuz auf deine Stirn
während ich mich leise singe
in dein schwammiges Gehirn

Blut läuft über dein Gesicht
es strömt in warmen Linien
und als wäre es ein Schwergewicht
erlöst ’s mein graziles Siegen

Du prägst dir ein mein Dogma
du hinterfragst nicht, du folgst
ich schenke dir mein Stigma
während du vor Freude lallst.

Über die hypnotisierte Verstörung
wird dir der Kruzifix entrissen
du lächelst nur debil mit Schwung
und verdrängst absentes Wissen

Ausgetauscht wurde nun dein Deus
umgepolt haben wir deinen Sinn
siehst nun in mir deinen heiligen Klerus
konstant betend mein Gespinn

Nun ziehe ich an den Fäden
augenblicklich folgt die Tat
demaskiere deine Schäden
und zerstöre deine Sat

19-07-15 – ©Jane van Raudi

Blaue Flecken

die Zeitkapsel im Paradies

Mein Dasein, mein Kosmos, meine Blase.

All das gewinnt und verliert an diesem Ort zu viel Bedeutung
– gleichzeitig.

Hier ist alles und nichts.

Ich tanze durch den Sand in Lemniskaten und lasse mich von den Wellen an Land spülen, wie ein kleines Kind. Über mir kommt ein Stern nach dem anderen zum Vorschein. Ich fühle mich so vollkommen, wie unsicher. Dieser Ort ist Gegensatz. In Schönheit und Abgeschiedenheit liegt viel zu viel Raum für das eigene Dasein. Das Meer ist schonungslos und rührt am Unterbewusstsein. Selten benutzte Saiten deren Schall viel zu viel Staub aufwirbelt. Die sengende Sonne brennt jegliche Gedanken aus und gleichzeitig ergötzt sie sich an meiner qualvollen Gehirnschmelze. Doch es ist wie Glas. Man kann jegliches schmelzen in Vollkommenheit verwandeln.

Mit Grund und Boden und einem Sinn und Verstand.

die Zeitkapsel im Paradies

Hydraulik des Seins

ein Bruchstück aus einem Bruchstück
ich bin ein Mosaik
alles an und in mir
ein Ergebnis aus Fragmenten
die Überbleibsel und Grundessenzen
aus allem je erlebten
es ist ein Prisma
manches außen sichtbar
das meiste nur für mich erkennbar

ein jedes Fragment lässt sich langsam modifizieren
mit der Zeit werden sie kleiner und größer
drängen in den Vordergrund
verdrängen sich in den Schutz des Hintergrundes
um aus dem Unterbewusstsein zu agieren

es wirft mich hin und her
ich lass mich schubsen
lasse jedes Bruchstück los
lasse alles fallen

sie liegen vor mir ausgebreitet
jedes einzelne hebe ich auf
drehe es in der Hand
betrachte es –

jede Furche

jede Kerbe

jede Farbe

beobachte das wirken der Einzelteile
integriere jede kleinste Regung
spüre jeden Schmerz einer Schneide
und jede Beruhigung einer Rundung

letztlich steht alles im Zusammenhang
und fließt
ineinander
springt an den Punkt der Herkunft zurück
ohne sich einzuschleifen
sich ständig erneuernd
eine semipermeable Metamorphose
ohne bestimmbaren Anfang
ohne bestimmbares Ende

 

Hydraulik des Seins

Sternegucker

Fernab von der Menge treiben wir durch die Stadt. Es ist Nacht und die Straßen sind leer. Jemand berührt mich am Arm und erzählt mir von neuen Orten in einer anderen Sprache. Ich übernehme liegend das Kommando und führe unsere Fingerspitzen in den Himmel. Wir richten den Blick nach oben, in diesen unbegreiflichen Raum welcher uns tagtäglich umgibt. Verwirrte, junge Seelen – auf der Suche nach Bildern in der Dunklen Nacht. Ich verbinde Stern um Stern und bin ganz verloren an einem Ort, an dem ich eigentlich nicht mehr sein sollte. Dort treiben wir gemeinsam fort von unserer gemeinsamen Realität und finden uns am Rande des Meeres wieder. 

Sternegucker